Heute ist unsere Studierendeninitiative der Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefolgt und hat die MS Wissenschaft am Hafen in Münster besichtigt. Achtung: Spoileralarm!
Das Schiff, das für Events gebucht werden kann und mit dem Namen Jenny getauft ist, hält zurzeit eine Ausstellung zum Thema Bioökonomie bereit. Diese beschäftigt sich mit der Vereinbarkeit von Wirtschaft und Umweltschutz und versucht, uns nachhaltige Forschungszweige des weltweiten Ressourcenverbrauchs didaktisch näher zu bringen. Dazu werden verschiedene Alternativen zu nicht erneuerbaren Ressourcen gezeigt, denn die Ausstellung stellt sich die Frage, wie wir die Erde in Zukunft noch bewohnen können, ohne in eine globale soziale Ungerechtigkeit voller Hunger und Not abzurutschen.
Die Ausstellung in Zeiten von Corona entsprach höchsten Sicherheitsstandarts. Es durfte sich nur eine sehr begrenzte Anzahl von Menschen in der Ausstellung aufhalten. Damit alle Besucher auf das Schiff können, durfte jeder nur max. 50 Minuten bleiben.
Die Themenbereiche
Trotz dieser terminierten Besuchszeit und einer vorherigen Wartezeit von bis zu 90 Minuten hat sich der Besuch größtenteils gelohnt. Die Themen sind sehr spannend und regen zum Nachlesen an. Der Eingang wird eröffnet mit Fakten zum Earth Overshoot Day, dem Tag, an dem alle Ressourcen eines Jahres verbraucht sind. Obwohl diese noch bis Jahresende halten müssten, sollte uns die Erde nicht bald um die Ohren fliegen.
Es geht weiter mit der Beschreibung fossiler Brennstoffe: Wir sehen, wie Erdöl und Gas abgebaut werden und in welchen Gütern überall Erdöl verbaut wird. Spoiler: In nahezu allen, vom Schuh bis zur Zahnbürste. Weiter geht es mit kurzen Statements zu verschiedenen Studien und bioökonomischen Ansätzen.
Anschließend sehen wir endlich, welche alternativen Ressourcen es gibt, mit denen wir statt Erdöl vorlieb nehmen können. Es werden uns verschiedene Beispiele gezeigt und dargelegt wie beispielsweise Pilze, Moose, Gräser und der Russische Löwenzahn, aus denen erdölähnliche Stoffe gewonnen werden können. Auch unsere Baustoffe werden demonstriert und schöne alternative Fußböden aus Bambus, Kork oder Heu gezeigt. Alle Alternativen sind schnell nachwachsende Rohstoffe, die den Planeten nicht dauerhaft belasten. Mais scheint hierbei ein wahres Wundermittel zu sein.
Des Menschen großes Laster, der enorme Verbrauch von Kunststoff, wird ebenfalls angegangen. Auch der unersättliche Energiebedarf der Menschheit will gelöst werden. In der Ausstellung wird auf veranschaulichende Weise dargestellt, wie Mikroorganismen Strom herstellen können. Wie aber die vielen Alternativen produziert werden, erklärt der Themenbereich des Indoor Farming. Planzen werden auf kleinstem Raum wasser- und ressourcensparend angebaut.
Als letztes relevantes Problem wird die Lebensmittelproduktion angegangen. Es wird skizziert, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, die Lebensmittelknappheit zu bekämpfen und unser Essen weniger verschwenderisch zu produzieren. Eine Idee spielt dabei die genetische, und wider der öffentlichen Meinung völlig ungefährlichen Veränderung von Nahrungsmitteln und die Züchtung von Fleisch in Reagenzgläsern, ohne dass dabei ein einziges Tier leiden und sterben muss.
Interaktion mit dem Publikum
Die Macher der Ausstellung haben sich wirklich Mühe gegeben. Es gibt interaktive Spiele, die die Problematiken bemerkenswert darstellen. Ein Tisch wird mithilfe von Virtuell Reality auf dem Tablet zu einer Stadt, welche der Spieler nachhaltig und wohnattraktiv gestalten muss. Eine Pizza will belegt werden, um zu visualisieren, wie viel Ackerfläche die einzelnen Zutaten brauchen.
Es gibt sehr unterschiedliche Schaubilder, nachhaltige Dinge wie die Planzen oder die Fußböden sind aufgebaut. Zudem werden Produkte aus alternativen Rohstoffen als Originale gezeigt und können angefasst werden. So stehen in der Ausstellung Schuhe aus Kork, die ich mir sogar kaufen würde, oder T-Schirts aus Algen.
Es können auch viele Filme geguckt werden oder Informationen gehört werden, so dass sich die Besucher an differenzierten und diversen Methoden erfreuen können.
Ernstzunehmende Kritik
Bei der Formausstattung allerdings fehlte es etwas an Kreativität, denn die vorherrschende Form ist das Sechseck der Bienenwabe, obwohl Bienen mit keinem Wort erwähnt werden. Das macht den visuellen Eindruck etwas fad.
Das Manko der Ausstellung ist jedoch die Überladung an Wissen, das häufig mit Lesen angeeignet werden muss. Die Besucher werden erschlagen von der Masse an Fakten und Informationen, die in schriftlicher und auditiver Methode dargereicht werden. Ließe sich alles lesen, bräuchte es fünf Stunden, wobei die Lesemüdigkeit schon nach einem Sechstel des Stoffes eingetreten ist. Stattdessen ist der zeitliche Eintritt limitiert, jeder Besucher darf nur 50 Minuten verweilen, hat also gar keine Zeit, sich an einem Exponat länger als zwei Minuten aufzuhalten. Da der Besucher jedoch nicht weiß, welche Ausstellungsstücke Schlüsselelemente und welche nur von sekundärer Relevanz sind, versuchten wir natürlich, zu Beginn möglichst viel zu lesen, als recht schnell klar wurde, dass dies zeitlich nicht zu schaffen ist. Also rasten wir durch die Ausstellung, woraufhin kaum ein Exponat von nachhaltiger Prägung gewesen ist. Das ist schade und es wäre Aufgabe der Kuratoren gewesen, die Ausstellung auf die coronabedingte Zeit abzustimmen. Corona ist seit fünf Monaten bekannt, so dass genügend Zeit gewesen wäre, die wichtigsten Exponate gewinnbringend zu positionieren und die Ausstellung abzuspecken, denn das Thema Bioökonomie ist zu wichtig, als dass alles wegen der Zeit und der sachkompetenten Überladung in den unendlichen Windungen des Gehirns verpufft. Außerdem steckt viel Mühe und Kompetenz in dem Projekt MS Wissenschaft und es ist schade, dass der Aufwand größer ist als der Ertrag.
Doch genau dieses Problem will das Schiff eigentlich vermitteln, und zwar dass der Aufwand geringer als der Ertrag sein muss, denn nur so etwas ist nachhaltig. Das hätte besser gelöst werden können, indem ein paar Texte weggelassen hätten werden können, denn natürlich kann der Besucher nicht selber differenzieren und ließt viel Unwichtiges, wobei ihm viel Wissenswertes entgeht und er am Ende kaum etwas von der Ausstellung behält.
Trotz der Kritik lohnt es sich, die Ausstellung zu besuchen. Sie hat in Münster begonnen, zieht jetzt aber weiter und besucht eine Vielzahl an deutschen Städten. Die Gelegenheit solltest Du Dir nicht entgehen lassen, denn das Thema ist für die Menschheit von höchster Dringlichkeit und die Aufbereitung trotz Mängel sehr schön, spannend und interessant. Als Tipp sei auch auf die Internetseite verwiesen, auf der jeder die Texte im Nachhinein nachlesen kann, so dass es nicht notwendig ist, dies auf dem Schiff zu tun.
Besuch die MS Wissenschaft, Du wirst es nicht bereuen. Uns als Initiative hat es sehr viel Spaß gemacht, wir haben enorm viel Neues gelernt und sind angeregt, uns im Nachhinein verstärkt über die Themen zu informieren.