Andreas Löschel, Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, forscht in den Gebieten der Umwelt-, Energie- und Ressourcenökonomik. Sein Ziel ist es, den aktuellen Zustand, der die Erde an den Rand des Abgrunds getrieben hat, zu beenden und auf eine hoffnungsvolle Weise einen Wandel zu bewirken. Die Chancen, die uns die Corona-Krise gegeben hat, müssten am Schopfe gepackt und verwirklicht werden. Deshalb hat er zahlreiche Dokumente zum Thema Nachhaltigkeit in der EU veröffentlicht. Doch wie sieht dieser Wandel aus und welche Rolle spielt Deutschland bei der Energiewende?
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft
Durch die Anpassungen des wirtschaftlichen Lebens zur Eindämmung der Seuche sind die ökonomischen Aktivitäten in vielen Ländern stark gesunken; in Deutschland allerdings nicht so stark wie in anderen Staaten der EU. Dadurch gab es natürlich beträchtliche Rückgänge im Wirtschaftswachstum. Es gab Wirtschaftseinbußen in Handel, Dienstleistung und auch im verarbeitenden Gewerbe, was sich wiederum auf individuelle Gehälter auswirkte. Diese temporären Einkommensschocks haben Auswirkungen auf das Verständnis für die Klimapolitik und auf Umweltpräferenzen der Bürgerinnen und Bürger. Eine genaue Analyse dieser Tatsache lässt sich auf der Website des Zentrums für Angewandte Wirtschaftsforschung nachlesen; vorab gesagt wirken sich solche Schocks negativ auf das Verständnis aus, Klimamaßnahmen zu ergreifen. Wer hat denn auch schon Lust und die Kapazität, das Klima zu retten, wenn er selbst erst einmal finanziell gerettet werden muss.
Auch die Börse verzeichnete negative Zukunftserwartungen. Allerdings hat sich der Kurs tendenziell schnell wieder erholt, so dass die Aktienpreise auf allen Sektoren nun wieder wie vor der Krise sind. Es scheint sich also ein Rebound-Effekt anzubahnen, der bewirken wird, dass sich die Wirtschaft in etwa drei bis vier Jahren auf demselben Stand wie vor der Corona-Pandemie befindet wird.
Unsere Wirtschaft vor der Corona-Pandemie
Im Hinblick auf die Kohlenstoffdioxid-Emissionen konnte in den letzten Jahren global eine extreme Steigerung wahrgenommen werden. Ebenso ist das Energiebedürfnis der Menschheit angewachsen. Doch wegen der Corona-Krise gab es nun 8 % Emissionsreduktion. Auch die Energienachfrage ist während der bisherigen Krisenmonate extrem gesunken. Das gab es vorher noch nie. Es gab immerhin schon vor der Krise starke Ansätze, grüne Energien auszubauen. Die Wirtschaft wuchs sogar in den Bereichen, in denen sie nicht auf fossile Brennstoffe, sondern auf erneuerbare Energien setzte. Gerade in Industrieländern gab es dahingehend eine Verbesserung. Sogar in Schwellenländern gab es Ansätze einer solchen Entkopplung. Auch die USA hatte das Potenzial, das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Nur Entwicklungsländer pusteten nach wie vor alternativlos Qualm in die Luft.
Bitte freu dich nicht zu früh: Es gibt keinen Grund zur Euphorie, denn eigentlich sollte die Menschheit diese Entkopplung jedes Jahr wahr werden lassen, um bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Allerdings reicht sie allein bei weitem nicht aus, um dieses Klimaziel zu erreichen.
Der Nachfrageeinbruch an Energie wird auch an den Preisen von Öl und Gas, den beiden klassischen fossilen Brennstoffen neben der Kohle, klar erkenntlich: Großhandelspreise sind massiv und überdurchschnittlich tief gesunken. Was erst einmal gut klingt, ist in Wahrheit gar nicht so optimal, denn mit niedrigen Preisen für fossile Brennstoffe klappt die Energiewende gar nicht. Es bedarf vielmehr höherer Preise, denn nur so werden logischerweise weniger der fossilen Brennstoffe verbraucht – und ein niedriger Verbrauch ist ganz wichtig. So wie es gerade ist, wird es dagegen wahrscheinlich große Investitionen in Sachen fossiler Energien geben, was uns von erneuerbaren Energien wegführt. Deswegen gilt es nun, dagegen zu arbeiten, was jedoch eine große Herausforderung darstellt. Obwohl es also eine Entkopplung von CO2-Emissionen von Wachstum und Innovationen gab, werden unsere Emissionen durch die günstigen Öl- und Gaspreise wieder anschwellen.
Receive, Recovery, Reform
Eine Möglichkeit für die Staaten ist natürlich neben der Einsparung an Energie der Ausbau erneuerbarer Energien. Für diesen Zweck kann dreischnittig vorgegangen werden: Receive (Erhalten), Recovery (Wiederherstellung), Reform (Erneuern).
Zuerst wenden wir uns dem Rescue zu, der sich die Frage stellt, wie wir den Klimaschutz sichern und zugleich Wachstumsimpulse für die Wirtschaft liefern. Beides muss bedient werden: Klima und Wirtschaft. Zur Rettung des sogenannten double-boosters gibt es Maßnahmen, die schlecht für die Wirtschaft, aber auch für die Umwelt sind. Es gibt jedoch auch viele gute Maßnahmen wie beispielsweise die Investitionen in die Infrastruktur der Energie. Das Deutsche Paket ist eines der zielführenden Maßnahmen. Das Rescue-Paket ist mit 350 Milliarden Euro das Größte.
Aber es gibt noch das Recovery-Paket der EU in Höhe von 40 Milliarden Euro. Davon gehen mit 4 Milliarden, also 10 %, viel Geld in grüne Investitionen. Auch ein wichtiger Teil dieses Pakets ist die EEG Umlage der EU. Sie fängt die Differenz zwischen den Förderkosten und Großhandelspreisen von den Energieträgern Öl, Gas und Kohle auf. Wird diese Differenz größer, müssen höhere Umlagen gezahlt werden. Ist der Konsum dagegen noch klein und nicht mal mehr billiges Öl wird verkauft, muss natürlich die Umlage steigen. Die EEG- Umlage ist 10 Milliarden Euro hoch. Sie bringt allerdings erst mal noch nichts fürs Klima, sondern finanziert nur und stabilisiert die Öl und Gaspreise, damit sie nicht noch mehr in den Keller sinken. Vom Effekt für das Klima ist die Umlage mit der Mehrwertsteuersenkung zu vergleichen. Die EEG-Umlage wird übrigens vom Bürger in Form von höheren Strompreisen bezahlt. Das Geld könnte natürlich auch aus dem Haushalt kommen, so dass der Strompreis sinken würde.
Weitere 9 Milliarden Euro aus dem Recovery-Paket fließen in Investitionen für Wasserstoffprojekte. Wir sehen folglich, dass viele Fördergelder der EU in CO2 senkende Innovationen gesteckt werden und es eine Zweiteilung der Rettung gibt. Diese besteht aus der CO2-Minderung sowie aus konjunkturellen Wirkungen.
Was funktioniert gut?
Doch was funktioniert von den Förderungen für Innovationen in grüne Energie gut? Da wäre der starke Ausbau von Offshore-Windparks. Diese sollen von der Produktion von 20 auf 30 Gigawatt aufgerüstet werden. Die Förderung wird demzufolge zu mehr Investitionen in diesem Bereich führen. Bedeutend ist neben der Forschung auch der Ausbau von Infrastruktur, denn ohne Wege kann der Strom nicht transportiert werden. Lade- und Transport sollen also weiter ausgebaut werden.
Aber der Grünstrom kann nicht alles abdecken. Bei einigen Stromfressern müssen andere Mittel gefunden werden. So brauchen wir für Flugzeuge, die Eisenbahn oder auch große Fabriken Alternativen.
Ökostrom muss billiger werden!
Zielführend ist auch die Bepreisung von Strom. Die Forderung lautet: Ökostrom muss billiger werden. Löschel schlägt elf Bereiche vor, in denen Lösungen zu entdecken sind.
Selbstverständlich müssen höhere CO2-Preise her. Das geht über Emissionshandel, und zwar relativ flott. Die Besteuerung der Emissionen sollte für Gebäude, Verkehr und Ähnliches gelten und eine Höhe von 50 Euro betragen.
Ein weiter Lösungsansatz folgt aus der Besteuerung. Firmen, die in grüne Energien investieren, um diese CO2-Steuer zu sparen, müssen langfristige Sicherheiten haben, um in erneuerbare Energien zu investieren. Denn, wenn der Preis für Öl und Gas oft so günstig ist, warum soll die Firma dann nicht darauf spekulieren?
Diese Besteuerung mutet allerdings zuerst als ein Problem an, weil es regressiv wirkt. Das heißt, Firmen, die zur Zeit wegen Corona oder aufgrund einer Rezession schwach dastehen, werden geschröpft. Daher müssen folglich weitere Mechanismen greifen. In Deutschland ist Strom relativ teuer. An der Börse kostet eine Kilowattstunde 4 Cent, aber der Verbraucher zahlt 34 Cent. Der Strom muss also billiger werden. Zudem muss grüner Strom günstiger als konservativer Strom werden. Aber warum ist Strom eigentlich so teuer? Es liegt an der EEG-Umlage, die bezahlt werden muss. Nach dieser kleinen Vorgeschichte kommen wir zur…
Lösung des Problems
Möglichst viele Bereiche müssen defossilisiert werden. Dies geht in normalen Haushalten zum Beispiel durch Wärmepumpen. Ferner muss grüner Strom billiger werden, damit keine fossilen Brennstoffe benutzt werden wollen. Private Haushalte, die in erneuerbare Energien investieren, sollten weniger für Strom bezahlen. Dies soll ein Anreiz für insbesondere einkommensstarke Haushalte sein, die mehr Strom verbrauchen. Aber auch große Firmen sollten weniger für Strom zahlen, damit sie mehr Geld in erneuerbaren Energien investieren können.
Ist der CO2-Preis hoch, hilft das beim Ausstieg aus der Kohle. Stattdessen wird von politischer Seite einiges für den Erhalt von Garzweiler und Co. getan. Zur Zeit sind Kohlekraftwerke die großen Verlierer, weil die beiden anderen fossilen Brennstoffe billiger sind. Ein Ausstieg aus der Kohle wäre also jetzt gegeben, weil die Kraftwerke alles andere als wirtschaftlich sind. Stattdessen überlegt die Politik, den Verlust auszugleichen und Kohlekraftwerke zu entschädigen. Das würde aber dafür sorgen, dass viele Kraftwerke am Netz bleiben, um noch rasch die Entschädigung zu kassieren, was jedoch nicht im Sinne der Umwelt sein kann.
Gemeinsam und nicht im Alleingang
Damit nicht nur Deutschland, sollte es erfolgreiche Maßnahmen ergreifen, alleine die Welt rettet, müssen sich die Maßnahmen der EU weit anpassen. Auch die Ziele Deutschlands.
So hat die EU das Ziel, den Strom bis zu 65 % aus erneuerbaren Energien zu ziehen. Deutschland bezog seien Strom in der ersten Jahreshälfte 2020 aus 50 % grüner Energie, aber nur, weil die Nachfrage wegen Corona so gering war. Steigt das Bedürfnis nach Strom wieder, muss Deutschland drei mal mehr erneuerbare Energien schaffen, um auf 65 % zu kommen.
Aber nicht nur Deutschland muss was tun. Andere Länder müssen Hilfe bekommen, damit sie aus der Kohle rauskommen. Im Süden der EU zum Beispiel kann geholfen werden, Solaranlagen zu bauen. Allerdings muss der Strom auch zu uns gebracht werden. Also müssen Stromtrassen gebaut werden.
Alternativer Strom
Alternativer erneuerbarer Strom allein reicht leider jedoch auch nicht aus, unseren Energiebedarf zu decken. Wie werden denn zum Beispiel Hochöfen betrieben? Sonnenenergie reicht nicht, denn es braucht ganz andere Prozesse dazu. Wir brauchen deshalb weitere Alternativen zum Strom. Hier eignet sich die Nutzung von Wasserstoff. Die dahingehende Forschung muss enorm ausgebaut werden, was wiederum eine lange Vorlaufzeit benötigt, denn Wasserstoffenergie ist nicht mit einem Fingerschnipsen da. Zudem braucht es auch hierfür eine Infrastruktur wie beispielsweise Ladestationen und Stromtrassen.
Doch wie bekommen wir im Bereich der Industriellen Transformation die Unternehmen dazu, in andere Energien außerhalb der Fossilien zu investieren? Eine Möglichkeit wäre eine vertragliche Festlegung, dass sich fossile Brennstoffe verteuern und die Firmen deshalb in erneuerbare Energien investieren. Sollten sich erneuerbare Energien dennoch nicht verteuern, bekäme die Firma eine Entschädigung.
Wir sehen, die Welt steht am Abgrund, aber es gibt eine Vielzahl an Alternativen und Maßnahmen, unseren Planeten zu retten und ihn nicht unter einer Decke von Dreck, Ruß und Rauch ersticken zu lassen. Es liegt in der Hand des Menschen, es nicht so weit kommen zu lassen.
von Manuel Hartmann