Eine weitere Veranstaltung der Klimastreikwoche, die allerdings nicht von Wirtschaft und Umwelt initiiert, aber besucht wurde, war der Film „Die grüne Lüge”. Der Film von Werner Boote entstand, weil dem Autor auffiel, wie Unternehmen mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz werben, es aber viele Ungereimtheiten gibt, die kritische Nachfragen hervorrufen. Zusammen mit Kathrin Hartmann deckt Boote einige Versprechen der Industrie auf, die dem Konsumenten suggeriert, er kaufe nachhaltig ein, in Wahrheit jedoch einer Lüge aufsitzt.
Good Cop, Bad Cop
Die Methodik des Films besteht darin, dass sich Boote und Hartmann selber filmen, wie sie verschiedene Orte in Amerika und Deutschland besuchen, in denen Greenwashing betrieben wird, also das Belügen von Kunden unter dem Deckmantel der Naturerhaltung. Um den Film lustig und zugleich ernst zu gestalten und beide Positionen zu reflektieren zieht sich das Spiel Good Cop – Bad- Cop durch den Dokumentarfilm. Während sich Boote stets für die Industrie ausspricht und deren Versprechen glauben will, kritisiert Hartmann eben diese Versprechen und versucht, Boote davon zu überzeugen, die Zusicherungen der Firmen, ihre Produkte seien nachhaltig und umweltschonend, als Lügen zu entlarven. Dabei stellt sie heraus, dass insbesondere der inflationär gebrauchte Terminus der Nachhaltigkeit sehr schwammig ist und der Kunde gar nicht so recht wissen soll, worin überhaupt die Bedeutung besteht. Um ihre Thesen des Greenwashing zu untermauern, werden von den beiden Protagonisten mehrere Themen herausgepickt und die Schwüre der Industrie geprüft und widerlegt. Die Themen bestehen aus: die Palmölproduktion, der Erdölgigant BP und sein Vorgehen bei der apokalyptischen Explosion der Ölplatform Deepwater Horizon, die Plastikproduktion, die brasilianischen Viehzucht und die damit verbundene Vertreibung der indigenen Bevölkerung und der deutsche Braunkohleabbau im Neuss durch RWE.
Pro und Contra
Achtung: Spoileralarm! Alle Konzerne werden des Betrugs entlarvt. Ihre Versprechen und Zertifikate verlaufen ins Leere und berufen sich auf das Vertrauen der Konsumenten, die Industrie sage die Wahrheit. Durch die Methode der provokanten Naivität Bootes, welche allerdings schnell durchschaut wird, wird der Film sehr kurzweilig, wenn auch sehr vorhersehbar. Zudem sind einige didaktische Kniffe amüsant und prägen sich deswegen gut ein, wenn z. B. Teslas E-Auto in Illinois startet und im Garzweiler-Tagebau die Batterie leer ist, was natürlich eine völlige Paradoxie darstellt. Oder wenn Boote den Teer BPs vom Strand aufhebt und sein Guide ihm mit den negativen medizinischen Ausführungen bei Berührung des Teers Angst macht und der Hypochonder aus Boote ausbricht. Von Nachteil ist hingegen, dass die Doku anmutet, manchmal in den linken Radikalismus abzurutschen. Die Firmen werden diabolisiert und enttarnt, was durchaus zu befürworten ist. Aber es wird von einigen Interviewpartnern ein totaler Umschwung des Systems gefordert, ohne zu versuchen, mit den Konzernen eine Lösung zu finden und ihnen wenigstens die halbe Hand anzubieten. Dadurch entsteht die Gefahr, dass sich Gruppen in dem Film bestätigt sehen, die sich gar nicht mit dem Umweltschutz identifizieren, sondern aus Neid auf die wohlhabende Mittelschicht den Umsturz fordern, weil diese Gruppen es den besser statuierten nicht gönnen, abgesichert zu sein und mit ein wenig Komfort zu leben. Der Film macht ferner neben dem Umsturz zwar andere Möglichkeiten publik, diese gehen aber durch einige Radikalitäten unter, so dass am Ende der Eindruck erweckt wird, Klimawandel könne nur mit dem kommunistischen Modell entstehen, welches jedoch erfahrungsgemäß stets in einen überwachenden und repressiv tyrannischen Totalitarismus abrutscht, in dem die Bürgerinnen und Bürger durch eine einzige übergeordnete Instanz unantastbar überwacht werden. Dies muss dem Film leider vorgeworfen werden, auch wenn Bootes Part im Film derjenige ist, zu versuchen, genau diesen Umsturz nicht zu propagieren, sondern ein Hand in Hand der Konsumenten und der Konzerne zu postulieren. Bootes Rolle für einen friedlichen Wandel sollte jedoch stärker betont werden.
Nur zu empfehlen
Der Film ist sehr zu empfehlen, um sich kritisch mit der Thematik des Greenwashing auseinanderzusetzen. Er klagt die Firmen an, enttarnt dessen Lügen und macht sogar Lust auf mehr von den beiden Protagonisten, die harmonisch miteinander agieren und trotz einiger stark diskutierten Differenzen keine Antagonismen entwickeln, so dass sie am Ende immer noch „grün“ sind.
von Manuel Hartmann